Experten schlagen Alarm:
Deutschland mangelhaft auf Atomunfall vorbereitet
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Deutschland ist nicht ausreichend auf einen nuklearen Störfall vorbereitet. Lücken bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung, Sorge um die Infrastruktur, veraltete Prognose-Systeme und überholte Evakuierungs-Konzepte zeigen: Radioaktiven Wolken könnte derzeit nur unzureichend begegnet werden.
Drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima ist Deutschland nicht ausreichend auf einen nuklearen Störfall vorbereitet. Das geht nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) vom Samstag aus einer Stellungnahme der auf Katastrophenfälle spezialisierten Schutzkommission beim Bundesinnenministerium hervor.
Demnach haben „verschiedene Übungen zu kerntechnischen Unfällen“ unter anderem Lücken bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung aufgezeigt. Die Umsetzung entsprechender Vorgaben sei „insbesondere auf Ebene der Kreise und Städte, die für die Durchführung von Schutzmaßnahmen zuständig sind, stark verbesserungswürdig“, heiße es.
„Nicht ganz auf der Höhe der Zeit“
Vielerorts fehle es etwa an Strahlenschutzärzten, die Aufschlüsse über die nukleare Belastung der Bevölkerung gewinnen könnten. „Die Schutzkommission fordert daher eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und Nachsorge der Betroffenen und Besorgten“, heißt es in dem Bericht.
Wie die „SZ“ weiter berichtet, sind den Experten zufolge auch die Prognose-Systeme für möglichen radioaktiven Fallout und die Evakuierungs-Konzepte im Fall von Atomunfällen „nicht ganz auf der Höhe der Zeit“. Dazu werden normalerweise Wetterdaten herangezogen, um die Bewegung einer radioaktiven Wolke zu simulieren.
Evakuierungskonzepte längst überholt
Das Bundesamt für Strahlenschutz unterhält jedoch auch ein Netz von Messstellen, die schon kurz nach einem Unglück echte Messdaten liefern – beide Methoden müssten besser miteinander verknüpft werden, fordern der „SZ“ zufolge die Experten. Auch das deutsche Strahlenschutzamt sei dieser Auffassung. An einer ensprechenden Aufbereitung der Daten werde gearbeitet, so ein Sprecher.
Weil mit den genaueren Prognosen möglich sei, „die Räumung von Sektoren je nach Gefahrenlage zeitlich zu staffeln“, seien die bislang für die Evakuierung vorgesehenen kreisförmigen Gebiete um Atomanlagen nicht länger geeignet: Treten – wie in Fukushima – radioaktive Stoffe nicht auf einen Schlag in großen Mengen sondern verteilt über einen längeren Zeitraum hinweg aus, verändern sich auch die Folgen für die Bevölkerung: Je nach Wind ist mal die eine, dann die andere Region betroffen.
„Deutschland wäre beim Atomunfall überfordert“
„Zur Vermeidung möglicher sozialer Unruhen“ müsse die Bevölkerung ausreichend informiert werden. Auch die Infrastruktur dürfe nicht verfallen, „für den Fall der Rückkehr der Bevölkerung in das betroffene Gebiet“. Ausgehend von den Erfahrungen im japanischen Atomkraftwerk Fukushima sollte die Katastrophenschutz-Kommission prüfen, inwieweit deutsche Stellen auf ein vergleichbares Unglück vorbereitet wären.
Die Grünen fordern bessere Konzepte für den Notfall auch von der Politik: „Deutschland wäre beim Atomunfall überfordert“, sagte die Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl der „SZ“. Die zuständigen Ministerien müssten „endlich aufwachen“. Veränderungen im Katastrophenschutz sind allerdings Sache der Innenminister der Länder.
Auch die vom Umweltministerium eingesetzte Strahlenschutzkommission hatte jüngst über über Konsequenzen aus Fukushima beraten: Die Evakuierungszonen sollten demnach ausgeweitet werden. Genauso wie die Kommission des Innenministeriums – renommierte Wissenschaftler, die die Bundesregierung ehrenamtlich beraten – fordern die Experten zudem, dass bundesweit Jodtabetten bereitgehalten und ihre Ausgabe „praxisgerecht vorbereitet“ werden. Sie beugen einer Aufnahme radioaktiver Stoffe über die Schilddrüse vor.
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